Theoderichstrophe
Geschichte und Geschichten aus Skandinavien
Runenband

Vs 13 Anundshög

Vs 13 - Anundshög

Allgemeine Informationen:

  • Standort: Badelunda bei Västerås, Västmanland, beim Grabhügel Anundshög, inmitten einer Reihe von 14 Bautasteinen
  • Datierung: Wikingerzeit, 1. Hälfte 11. Jahrhundert
  • Runentypen: Langzweigrunen
  • Runenritzer: Vred
  • Gegenstand: Runenstein, Granit

Transkription der Runeninschrift:

× fulkuiþr × raisti × staina × þasi × ala × at × sun ×× sin × hiþin × bruþur × anutaR × uraiþr hik × runaR

Deutsche Übersetzung:

Folkvid errichtete all diese Steine in Gedenken an seinen Sohn Heden, den Bruder Anunds. Vred schlug die Runen.

Kommentar:

In Badelunda, am Ostrand von Västerås in Västmanland, befindet sich eins der bemerkenswertesten Altertumsdenkmäler Schwedens. Auf einem Gräberfeld mit über zwanzig Hügeln und Steinsetzungen liegen zwei große und drei kleinere Schiffsetzungen sowie der große Königshügel Anundshög. Als "Anunda Högh" wird der über neun Meter hohe Hügel mit einem Durchmesser von über 60 Metern schon im 14. Jahrhundert als Thingsplatz erwähnt.

Der Überlieferung zufolge ist der Anundshög über dem Grab des Svearkönigs Anund errichtet, der um 640 n.Chr. gestorben sein dürfte und von dem Snorri Sturluson, der isländische Dichter der Edda, in seiner Ynglingasaga berichtet: "In seinen Tagen gab es gute (Ernte-) Jahre in Schweden, und er wurde der beliebteste aller Könige." Ewigen Nachruhm erwarb sich Anund durch seine umfangreiche Straßenbautätigkeit: "König Anund ließ Straßen bauen überall in Schweden, durch Marschland, Wälder, und über Berge, und darum wurde er 'Bröt-Anund' [Straßen-Anund] genannt."

Rund fünfzig Meter südlich des Anundshög verläuft ein Teil des Weges, der seit Alters her unter dem Namen "Eriksgata" bekannt ist. Auf diesem Weg zogen die schwedischen Könige nach ihrer Krönung durchs Land, um sich als Herrscher auf den Thingsversammlungen durch das Volk bestätigen zu lassen. In der Umgebung des Anundshög kann man den alten Verlauf des Weges heute noch erkennen: Von der Furt über den Fluß im Nordosten, durch einen Hohlweg, vorbei am Anundshög, bis zum Anstieg des Badelunda-Höhenzugs im Südwesten.

Am Rand dieses Weges beim Anundshög steht ein über drei Meter hoher Runenstein, dessen Gedenkinschrift ebenfalls den Namen Anund erwähnt, als Bruder des verstorbenen Heden. Der Stein wird bereits 1599 von Johannes Bureus erstmals schriftlich erwähnt. Richard Dybecks Reisebericht von 1859 identifiziert "all diese Steine" der Inschrift als "ein sehr großer Kreis um [den Runenstein] herum liegender gefallener Steine, in mehreren Ellen Abstand voneinander liegend, und teilweise mit Erde bedeckt." Bei einer Ausgrabung in der Umgebung des Runensteins zwischen Herbst 1960 und Frühjahr 1961 kommt eine lange gerade Reihe von vierzehn Bautasteinen zutage.

Die beiden großen Schiffsetzungen am Anundshög
Die beiden großen Schiffsetzungen am Anundshög

Anunds Familie, im frühen 11. Jahrhundert wohl eine der größten und wohlhabendsten der Umgebung, hat hier ein Straßenmonument, eine sogenannte "Runensteinbrücke" geschaffen, eine lange Reihe aufrecht stehender Steine, die die alte Eriksgata flankieren, mit einem deutlich höheren Runenstein inmitten der Reihe, direkt vor dem alten Thingsplatz Anundshög. Auch wenn heute nur noch vierzehn Bautasteine erhalten sind, können wir doch noch die Dimension dieses imposanten Denkmals erahnen. In Schweden ist nur noch eine ähnlich monumentale Runensteinbrücke bekannt, die ungefähr zur selben Zeit errichtete "Jarlabankes Bro" in Täby, nördlich von Stockholm.

Der Name Anund gehört zu den gebräuchlichsten Männernamen der Wikingerzeit, er ist auf über 60 Runensteinen dokumentiert. Der Name Folkvid (der Vater des verstorbenen Heden und "Bauherr" des Denkmals) kommt nur auf dem Stein am Anundshög vor. Er ist auch in der gesamten altnordischen Literatur nur zweimal belegt, einmal ebenfalls in Snorris Ynglingasaga: Folkvid Svipdagssohn ist ein Vertrauter König Ingialds des Übelgesinnten, des mißratenen Sohns von König Bröt-Anund.

Die enge Verbindung zwischen dem Grabhügel Anundshög aus der Vendelzeit und dem Straßendenkmal aus der Wikingerzeit, mit dem Namen Anund in der Runeninschrift, stellt uns vor ein klassisches Henne-Ei-Problem: Hat die Bevölkerung der Umgebung angenommen, daß der König Bröt-Anund in dem großen Hügel begraben liegt, weil sich davor ein stattliches Straßendenkmal befindet, mit dem Namen Anund in der Runeninschrift? Immerhin ging sogar die ältere Forschung noch davon aus, daß der Anund der Runeninschrift und der im Anundshög bestattete König Bröt-Anund identisch sind. Oder hat der alte Grabhügel des Königs Bröt-Anund die Familie des Wikingers Anund zu dem imposanten Straßendenkmal für den verstorbenen Sohn und Bruder Heden inspiriert?

Die beiden großen Schiffsetzungen am Anundshög
Der Königshügel Anundshög (links) ist einer der größten Grabhügel Schwedens

Aber war es wirklich Anunds Familie? Der knappe Zusatz "... Bruder Anunds" in der Inschrift kann diese Frage nicht schlüssig beantworten, er läßt mehrere Deutungen zu.

Anund könnte tatsächlich ein Bruder des verstorbenen Heden und ein Sohn Folkvids gewesen sein. Dann müßte er allerdings an der Errichtung des Denkmals beteiligt gewesen sein, die Inschrift könnte dann beispielsweise lauten "Folkvid errichtete all diese Steine in Gedenken an seinen Sohn Heden, (und) Anund in Gedenken an seinen Bruder." Es sei denn, Anund wäre zu diesem Zeitpunkt ebenfalls schon tot gewesen. Anund könnte auch ein Halbbruder Hedens gewesen sein, beide mit der selben Mutter. Die Erwähnung eines am Denkmal nicht direkt beteiligten Bruders Anund würde jedenfalls bedeuten, daß Anund ein Mann von hohem Ansehen gewesen sein muß, die Nennung der verwandtschaftlichen Beziehung würde Hedens Andenken ein noch größeres Prestige verleihen.

Eine weitere interessante Möglichkeit ergibt sich aus der Tatsache, daß das Wort "Bruder" in der Wikingerzeit eben nicht nur zur Bezeichnung einer verwandtschaftlichen Beziehung verwendet wurde. Heden und Anund könnten Waffenbrüder gewesen sein, vielleicht waren sie zusammen auf Wikingerfahrt. Auch in diesem Fall muß Anund von großem Ansehen gewesen sein. Es gab in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts in Schweden zwei bedeutende Männer königlichen Bluts namens Anund: Svearkönig Anund Jakob war der Sohn von Olof Skötkonung, dem ersten König von ganz Schweden. Beide waren Christen, konnten aber weder den Einfluß des Christentums noch die Einheit des Reichs stabilisieren. Anund Jakobs Halbbruder und Nachfolger war Emund der Alte, der letzte König aus der Linie der Ynglinge. Sein Sohn Anund kam mit seinem gesamten Heer bei einem Feldzug, vermutlich in Finnland, ums Leben. Vielleicht war es einer dieser beiden Anunds, dessen Ruhm auch auf dem Denkmal für Heden Folkvidssohn festgehalten ist.

Jarlabanke, der "Bauherr" der Runensteinbrücke Jarlabankes Bro, ist Christ und bringt dies auf seinen selbst errichteten Runensteinen auch deutlich zum Ausdruck. Dagegen finden sich weder in der Inschrift noch in der Ornamentik des Runensteins beim Anundshög irgendwelche Anzeichen christlichen Glaubens: Keine christliche Gebetsformel, kein Kreuz. Damit sind die beiden großen zeitgenössischen Straßenmonumente auch ein Spiegelbild der fehlenden religiösen Einheit ihrer Zeit in Schweden.

Quellen und weiterführende Literatur

  • DÜWEL, Klaus (2001): Runenkunde. 3. Auflage. Verlag J.B. Metzler, Stuttgart, Weimar.

  • HOLMBLAD, Lars G. (1995): Nordisk Vikingaguide. Statens Historiska Museum, Stockholm.

  • JANSSON, Sven B.F. (1987): Runes in Sweden. Gidlunds, Stockholm.

  • MONSEN, Erling (Ed.)(1932): Snorre Sturlason - Heimskringla or The Lives of the Norse Kings. Nachdruck 1990. Dover Publications, New York.

  • OHLMARKS, Åke (1978): 100 Svenska Runinskrifter. Bokförlaget Plus, Borås.

  • ORRLING, Carin (Red.) (1995): Vikingatidens ABC. Statens Historiska Museum, Stockholm.

  • PETERSON, Lena (2002): Nordiskt runnamnslexikon. Språk- och folkminnesinstitutet.

  • SNÆDAL, Thorgunn, ÅHLÉN, Marit, LUNDBERG, Bengt A. (2004): Svenska Runor. Riksantikvarieämbetet, Stockholm.